Hier ist das Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes im WWW zu finden:
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Anlass und Inhalt des Gesetzes lt. Entwurfsbegründung (BT-Drs Nr. 16/10528)
AnzeigeA. Ziel
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 24. Mai 2006
* 2 BvR 669/04 zur Rücknahme einer Einbürgerung wegen arglistiger Täuschung zwar die Verfassungsmäßigkeit von Rücknahmeentscheidungen grundsätzlich bejaht, jedoch noch Regelungsbedarf für den Gesetzgeber bei bestimmten Fallkonstellationen gesehen. Dies gilt unter anderem für die Befristung der Rücknahmeentscheidung und die Betroffenheit der deutschen Staatsangehörigkeit unbeteiligter Dritter infolge der Rücknahme der Einbürgerung. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 24. Oktober 2006 2 BvR 696/04 zum rückwirkenden Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit eines Kindes infolge erfolgreicher Anfechtung der Vaterschaft nach § 1599 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zwar den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit im konkreten Fall für verfassungsgemäß angesehen, weil das betroffene eineinhalbjährige Kind in einem Alter war, in dem es "normalerweise noch kein eigenes Bewusstsein" von seiner Staatsangehörigkeit und "kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand" entwickelt habe. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch weiter ausgeführt, dass "in besonderen Einzelfällen" die Anfechtung der Vaterschaft an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen könnte. Auch in diesen Fällen besteht daher noch Regelungsbedarf.
Auf einen weiteren gesetzlichen Regelungsbedarf hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 5. September 2006 1 C 20.05 bei der Frage der Rücknahme eines Aufenthaltstitels wegen arglistiger Täuschung mit Auswirkung der Rücknahmeentscheidung auf den Ius-Soli-Erwerb (§ 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes StAG) des Kindes der täuschenden Person hingewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung eine Empfehlung an den Gesetzgeber ausgesprochen, auch diese Fallkonstellation mit zu bedenken.
In einer Expertenanhörung zum Staatsangehörigkeitsrecht im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 10. Dezember 2007 haben sich alle Sachverständigen außerdem für eine spezialgesetzliche Regelung zur Rücknahme von Einbürgerungen ausgesprochen.
B. Lösung
Die Lösung der genannten Probleme bedarf einer Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Auf Grund der genannten Entscheidungen sind vor allem drei Problemkomplexe zu regeln:
1. die Auswirkungen der Rücknahme eines Verwaltungsaktes bzw. der Anfechtung der Vaterschaft auf den Abstammungserwerb (§ 4 Abs. 1 StAG) bzw. auf einen anderen gesetzlichen Erwerb Dritter, zum Beispiel Kinder mit Ius- Soli-Erwerb oder adoptierte Kinder (§ 4 Abs. 3, § 6 StAG), 2. die Auswirkungen der Rücknahme von Einbürgerungen auf miteingebürgerte Dritte (Ehepartner, Kinder) und 3. die zeitliche Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit.
Das erste Problem soll durch eine Ergänzung des Staatsangehörigkeitsgesetzes gelöst werden, die bewirkt, dass der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bei unbeteiligten Dritten in den genannten Fällen nicht mehr eintritt, wenn diese Personen fünf Jahre alt sind. Bei Kindern unter fünf Jahren kann davon ausgegangen werden, dass sie noch kein eigenes Bewusstsein von ihrer Staatsangehörigkeit haben und daher der Kernbestand des Artikels 16 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) nicht tangiert wird (vgl. BVerfG vom 24. Oktober 2006, a. a. O.). Diese Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz hat den Vorteil, dass entsprechende Regelungen in anderen Gesetzen (Aufenthaltsgesetz, Bundesvertriebenengesetz, Bürgerliches Gesetzbuch) entfallen können.
Für miteingebürgerte Dritte, deren Einbürgerung als Ehepartner oder als Kinder akzessorisch zur Einbürgerung der antragstellenden Person ist, ist bei der Rücknahme der Einbürgerung eine eigene Ermessensentscheidung vorgesehen, um gegebenenfalls den Vertrauensschutz oder andere schutzwürdige Interessen der miteingebürgerten Dritten zu wahren.
Bei der zeitlichen Beschränkung der Rücknahmeentscheidung das Bundesverfassungsgericht sieht nur eine "zeitnahe" Rücknahme als verfassungskonform an soll im Staatsangehörigkeitsgesetz eine Ausschlussfrist von fünf Jahren ab Erlass des Verwaltungsaktes vorgesehen werden, die an die bereits bestehende gesetzliche Regelung in § 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (1. StARegG) und an die Frist anknüpft, die in § 1600b Abs. 1a Satz 3 BGB vorgesehen ist.
Vergleichbare Regelungen sind auch im Bundesvertriebenengesetz (BVFG) angezeigt, da die Rücknahme einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 BVFG wegen des gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerbs nach § 7 StAG bei der Erteilung dieser Bescheinigung ebenfalls zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führt. Sie sollen einem selbständigen Änderungsgesetz vorbehalten bleiben.
Bundestagsdrucksachen zur Beratung des Gesetzes
Links führen zur DIP-Datenbank des Deutschen Bundestages.
Nummer | Datum | Inhalt |
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16/10528 | 10.10.2008 | Gesetzentwurf der Bundesregierung |
16/10695 | 22.10.2008 | Unterrichtung durch die Bundesregierung (hier: Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates) |
16/10913 | 12.11.2008 | Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses |
Durch das Gesetz geänderte Rechtsnormen (soweit auf rechtliches.de verzeichnet):